Das Ereignis "Schlaganfall"
Einleitung
Wer einen Schlaganfall erleidet oder einen solchen in der eigenen Familie oder im Freundeskreis erlebt, ist meist vollkommen schockiert. Dies liegt vor allem daran, dass diese schwere Krankheit in vielen Fällen ohne Vorboten wie aus heiterem Himmel auftritt. Sie kann einen bisher aktiven und scheinbar gesunden Menschen aus dem Leben reißen oder ihn zum Pflegefall machen.
Dies kann im Allgemeinen auch zu erheblichen psychischen, sozialen und wirtschaftlichen Problemen führen.
Die heutigen Erfahrungen und Erkenntnisse bieten jedoch eine Vielzahl von Möglichkeiten, mit der Krankheit besser fertig zu werden, ihre Folgen zu überwinden oder sie ganz zu vermeiden.
Nach dem Aufenthalt im Krankenhaus – oder der Rehabilitationsklinik – fühlen sich viele Schlaganfall-Patienten und deren Angehörige oftmals zu sehr auf sich allein gestellt. Sie kennen häufig auch nicht die Möglichkeiten zur vorbeugenden Verhinderung eines erneuten Schlaganfalls und zu notwendigen Schritten, um die neuen Lebensumstände zu meistern.
Der Schlaganfall
Ein Schlaganfall (Hirnschlag, Apoplex) ist eine plötzliche Mangeldurchblutung des Gehirns, bei der ein zum Gehirn führendes Blutgefäß verstopft wird oder eine Blutung durch Einreißen eines Blutgefäßes entsteht. Durch diese Unterbrechung des Blutflusses im Gehirn kommt es zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen in den betroffenen Hirnregionen, denn fast im selben Augenblick, in dem die Durchblutung stoppt, stellen sie in den nicht mehr versorgten Hirnbereichen ihre Arbeit ein.
Bleibt der Blutfluss länger – mehrere Minuten bis Stunden – unterbrochen, sterben die betroffenen Zellen unwiederbringlich ab. Diese Nervenzellen und die darin gespeicherten Informationen werden hierdurch zerstört. Im Alltag kann sich dies durch den Verlust wichtiger Fähigkeiten bemerkbar machen, z. B. können Körperteile nicht mehr aktiv bewegt werden, Sprache nicht mehr gesprochen oder gar verstanden werden. Jeder Schlaganfall ist in Bezug auf seine Ursachen, seine Ausprägung, die akuten Folgen und den bleibenden Schaden einzigartig.
Mögliche Folgen
Die Folgen sind oft ähnlich und doch bei jedem anders. In den ersten Tagen und Wochen nach einem Schlaganfall lässt sich überhaupt noch nicht abschätzen, welche Beeinträchtigung der Betroffene auf Dauer haben wird. Nach Ablauf von zwei bis drei Monaten kann man die Auswirkungen des Ereignisses klarer erkennen, die es zu meistern gilt.
Ein Schlaganfall kann Behinderungen verschiedener Schwere zur Folge haben. Ihre Art und Ausprägung hängt ganz davon ab, welcher Bereich des Gehirns wie stark geschädigt ist und wie schnell die Durchblutung durch zügige Behandlung wieder hergestellt werden konnte. Je schneller, desto besser stehen die Chancen. Viele Behinderungen und Funktionsausfälle bilden sich mit der Zeit zurück, so dass ein Schlaganfall keineswegs dauernde Hilfs- und Pflegebedürftigkeit bedeuten muss.
In den meisten Fällen bleibt eine mehr oder weniger starke Lähmung von Gesicht, Arm und/oder Bein auf ein und derselben Körperhälfte zurück. Man nennt sie darum Halbseitenlähmung (Hemiparese). Häufig treten diese Lähmungen zusammen mit einer Empfindungsstörung in den betroffenen Bereichen auf. Es ist überwiegend die gegenseitige Körperseite von der Seite der Hirnschädigung betroffen, d.h. bei einer Schädigung der rechten Hirnhälfte die linke Körperseite und umgekehrt.
Bei einer Schädigung der linken Hirnhälfte kommt es oft zu Sprachstörungen (Aphasie), die ebenfalls unterschiedlich stark ausfallen können. Dies reicht vom völligen Verlust der Sprachfähigkeit über kaum verständliche Laute. Es kann eine kloßige Sprache bleiben oder es kommt nur zu Wortfindungsstörungen. Das Verständnis der Sprache, das Schreiben, Rechnen und auch die Lesefähigkeit können beeinträchtigt sein.
Ein Schlaganfall kann zu Lähmungen der Sprechmuskulatur führen, dann sind die Aussprache und die Stimmgebung betroffen, dieser Mensch hat Sprechstörungen oder eine heisere Stimme.
Schluckstörungen als Folge der Lähmungen bilden eine stetige Gefahr für ein Verschlucken, wozu häufig schon eigener Speichel Anlass gibt. Wenn Husten- und Würgereflexe ausgefallen sind, stellt sich schnell eine Lungenentzündung ein mit ihren ganz eigenen Gefahren.
Inkontinenz entsteht, wenn das Hirnareal, von dem aus Harnblase und Mastdarm kontrolliert werden, geschädigt ist. Die Betroffenen können das Wasser oder/und den Stuhl nicht richtig halten oder sie spüren nicht mehr rechtzeitig, dass sie eine Toilette aufsuchen müssen.
In Verbindung mit halbseitiger Lähmung tritt häufig ein halbseitiges Nichtsehen bzw. eine halbseitige Einschränkung des Gesichtsfeldes (Hemianopsie) auf.
Ein Schlaganfall führt ebenfalls häufig zu einer Reihe von Beeinträchtigungen der geistigen (kognitiven) Leistungen. Diese Leistungseinschränkungen können nur vorübergehend oder auch länger bestehen.
Am häufigsten sind Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit, der Gedächtnisleistung, des Planens und Handelns sowie visuell–räumliche Leistungen. Eine Aufmerksamkeitsstörung wirkt sich erschwerend auf das Lernen von Neuem aus und somit auf den Therapiefortschritt in allen Therapien. Manchmal kommt es in Folge von Wahrnehmungsstörungen zur Vernachlässigung einer Körperseite, einer Raumseite oder eines Teiles der unmittelbaren Umgebung. Dies ist ein Umstand, der vielfältige Unfallgefahren birgt.
Gedächtnisdefizite können verschiedene Auswirkungen haben, so z. B. auf das Einprägen von Informationen, die Verschlüsselung und Speicherung von Informationen im Kurzzeitgedächtnis, das Übertragen von neu Erlerntem ins Langzeitgedächtnis oder das Abrufen dort gespeicherter Informationen. Gedächtnisdefizite sind, neben der Aufmerksamkeitsstörung, die zweithäufigste kognitive Leistungsstörung infolge einer erworbenen Hirnschädigung.
Diese „unsichtbaren“, von außen nicht wahrnehmbaren Schlaganfall–Folgen werden oft erst nach Besserung der motorischen Fähigkeiten bemerkt. Meistens deckt erst eine neuropsychologische Testuntersuchung das vollständige Bild der Beeinträchtigungen im kognitiven Bereich auf. Ein rechtzeitiges Erkennen dieser organisch verursachten Beeinträchtigungen hat ein besseres Verständnis dieser gestörten Verhaltensweisen zur Folge und ermöglicht frühzeitige gezielte therapeutische Interventionen.
Persönlichkeits– und Verhaltensveränderungen können nach einem Schlaganfall als direkte Folge der Hirnschädigung in Form von Depressionen, Stimmungsschwankungen und Belastbarkeitsminderung auftreten. Antriebsminderung aber auch Antriebssteigerung bis hin zu einer ständigen Unruhe, Impulsivität und Aggressivität können sich einstellen. Es kann auch zu einer Wahrnehmungsstörung kommen, bei welcher der Betroffene die eigenen Krankheitsfolgen nicht klar erkennen kann bzw. nur eine Teileinsicht in die neu aufgetretene Problematik gewinnt. Bei diesen verminderten Krankheitseinsichten liegt weder böser Wille noch Faulheit vor, es handelt sich vielmehr um Auswirkungen des Schlaganfalls.
Als Reaktion auf die plötzlich dramatisch veränderte Lebenssituation können sich seelische (psychische) Probleme einstellen. Die Krankheit kann auf sehr unterschiedliche Weise verarbeitet werden. In der Regel durchlaufen Betroffene mehrere Krankheitsphasen, von der Verdrängung über depressive Reaktionen bis hin zu einer neuen Akzeptanz ihrer Lebenssituation. Auf diesem Weg können sich Ängste, Mutlosigkeit, Erschöpfung, depressive Verstimmungen, Stimmungsschwankungen, Störungen im sexualen Bereich sowie Schuld- und Schamgefühle einstellen. Dies geschieht vor allem dann, wenn der Betroffene über seelische Not mit niemandem spricht und sich stattdessen zurückzieht. Ein Betroffener braucht viel Zeit und Raum und er braucht Unterstützung, sowohl von seiner Familie als auch von Fachleuten, um diesen Prozess der Krankheitsverarbeitung zu bewältigen und im Alltag wieder festen Fuß zu fassen.
Angehörige sind immer mit betroffen, für sie verändert sich ebenfalls plötzlich ihr ganzes Leben. Sie müssen sich unerwartet und unvorbereitet mit den Schwierigkeiten einer veränderten Lebenssituation auseinandersetzen und dabei sind sie noch in ständiger Sorge um den Erkrankten. Diese Angehörigen brauchen unverzüglich eine gründliche Aufklärung über die Zusammenhänge zwischen einer Hirnverletzung und den möglichen Verhaltensänderungen der Erkrankten. Angehörige brauchen für ihre neuen Aufgaben und Lernprozesse ebenfalls und ganz besonders jede mögliche Beratung, Begleitung und Unterstützung.
Kurz gesagt: Ein Schlaganfall kann die unterschiedlichsten Symptome mit verschieden starken Ausprägungen zeigen. Der bisher gewohnte Alltag ist plötzlich in allen Bereichen beeinträchtigt – für den Betroffenen und für die Menschen um ihn herum.
Das "Danach"
Auf den Schlaganfall–Betroffenen, der aus dem Krankenhaus in sein früheres Leben zurück entlassen wird, warten zahlreiche, zum Teil große Schwierigkeiten, welche die Lebensqualität mindern können.
Sicherlich ist es schwierig, nicht an das zu denken, was nach erlittenem Schlaganfall nicht mehr möglich ist.
Doch anstatt zurück zu blicken, gilt es zu sehen und zu würdigen, was alles noch (oder wieder) geht. Manchmal sind die Folgen des Schlaganfalls gravierend, trotzdem darf man nicht den Mut verlieren. Der Körper und das Gehirn verfügen über erstaunliche Regenerationsfähigkeiten, welche durch die Therapien in der Rehabilitation aktiviert werden.
Viele betroffene Menschen leben vor, dass es nach einem Schlaganfall sehr wohl möglich ist, seinen festen Platz im neuen Leben zu finden und seine Chancen zu ergreifen.
Denn zu den erstaunlichen Eigenschaften des menschlichen Gehirns gehört auch seine Fähigkeit, verloren gegangene Funktionen zu ersetzen. Unter günstigen Umständen sind deshalb selbst Tätigkeiten, die ein hohes Maß an Konzentration und Geschicklichkeit erfordern, nach Schlaganfällen wieder möglich. Nur selten jedoch kommen solche Fähigkeiten von allein zurück:
Fast immer müssen die Betroffenen geduldig üben. Nicht aufgeben! Dinge die einem schwer fallen, immer wieder üben!
Nach einem Schlaganfall ist Geduld gefragt – üben, üben, üben lautet die Devise. Man darf nicht aufgeben, wenn es einmal nicht klappt. Leichter gesagt als getan – aber es lohnt sich!
Man sollte immer versuchen, seine schwächere Seite bei jeder Gelegenheit bewusst zu bewegen und man muss auch das schwächere Auge trainieren. Dabei sollte stets auf eine möglichst natürliche Körperhaltung geachtet werden.
In das Training kann man auch Verwandte und Freunde mit einbeziehen – dadurch sind die Übungen nicht so langweilig. Es wird besser verstanden, welche Schwierigkeiten man beim Verrichten alltäglicher Dinge hat.
Der Prozess der Rehabilitation geht auch nach der Entlassung aus der Klinik immer weiter. Die Region Halle hält eine Vielfalt an therapeutischen und beraterischen Leistungen, die auch ambulant erbracht werden, für die Schlaganfall–Betroffenen bereit. Zahlreiche Möglichkeiten sind vorhanden, die Rehabilitationsziele weiter zu verfolgen und sich bei verschiedensten Fragestellungen, die im Laufe des Rehabilitationsprozesses auftauchen, professionell beraten und helfen zu lassen.
Man muss die geeignete Hilfe jedoch erst einmal finden. Genau dabei wollen Sie der Schlaganfall Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. sowie die uns angeschlossenen Selbsthilfegruppen unterstützen.